Einzelbeiträge

Ausschussgemeinschaften mit mehreren Sitzen

Ausschussbesetzungen sind immer wieder ein Streitthema.
Ausschussbesetzungen sind immer wieder ein Streitthema.
Normalerweise führt eine Ausschussgemeinschaft dazu, dass mehrere kleinere Gruppierungen statt jeweils gar keinem zusammen einen Sitz im Ausschuss bekommen, den sie dann untereinander vergeben. In bestimmten Konstellationen kann es aber dazu kommen, dass die Ausschussgemeinschaft mehrere Sitze bekommt.

Diese Frage hatte ich auf dieser Seite folgendermaßen beantwortet:

Beispiel: Die Parteien A, B, C und D verfügen jeweils über so wenige Sitze, dass sie im Ausschuss nicht vertreten wären. Schließen sich alle vier Parteien zusammen, hätten sie gemeinsam Anspruch auf zwei Sitze.

Das ist unzulässig, ein Zusammenschluss darf nur dazu führen, dass man überhaupt erst vertreten ist. Somit müssten sich also bspw. A und B zur einen Ausschussgemeinschaft zusammentun und C und D zur anderen, so dass beide Ausschussgemeinschaft jeweils nur einen Sitz erhalten – auch, wenn dies im Ergebnis das gleiche ist.

Hintergrund der Regelung ist wohl, dass eine strategische „Koalitionsbildung“ verhindert werden soll, durch die Minderheitsparteien zusammen eine Mehrheit bekommen würden.

Nun hat mich eine Zuschrift erreicht, die dies unter Berufung auf den Standardkommentar zur bayerischen Gemeindeordnung Widtmann/Grasser/Glaser, Art. 33 GO, Rdnr. 12, in Frage gestellt hat. In diesem Kommentar heißt es:

Schließen sich mehrere Einzelgänger bzw. Gruppen zusammen, die jeder für sich in dem Ausschuss nicht vertreten wären, so ist dieser Zusammenschluss auch dann gültig, wenn eine geringere Anzahl von Einzelgängern bzw. Gruppen schon ausgereicht hätte, um einen Vertreter in den Ausschuss zu entsenden. Es ist deshalb auch möglich, dass eine Ausschussgemeinschaft mehr als einen Vertreter in den Ausschuss entsendet (so BayVGH, BayVBl. 1995, 117).

Meine Antwort darauf war:

Diese Thematik ist wohl tatsächlich nicht ganz geklärt. Auf die Schnelle habe ich meine Quelle für diese Rechtsansicht nicht mehr gefunden. Die sehr weitgehende Erklärung im Kommentar überrascht mich durchaus.

Es ist ja allgemein anerkannt, dass große Gruppierungen keine ausschusswirksamen Fraktionsgemeinschaften eingehen können, um ihre Position bei der Sitzverteilung zu stärken (anders praktiziert dagegen bspw. im Münchner Stadtrat). Ausschussgemeinschaften dienen dazu, überhaupt im Ausschuss vertreten zu sein, nicht dazu, sich mathematische Vorteile zu verschaffen.

Wenn man demgegenüber eine „unbegrenzte“ Ausschussgemeinschaft für zulässig hielte, solange jeder einzelne Partner alleine nicht im Ausschuss vertreten wäre, hätten die kleinen Parteien eine viel weitere Gestaltungsmöglichkeit als die großen. Insofern überzeugt mich diese Wiedergabe im Kommentar nicht ganz. Ich bin gerade dabei, mir die genannte VGH-Entscheidung zu besorgen, und habe meine Mitarbeiterin darauf angesetzt.

Ich würde mich dann wieder melden, wenn mir die Entscheidung vorliegt und dann gerne den entsprechenden Passus auf meiner Seite überarbeiten.

Nun liegt mir die Entscheidung vor und sie widmet dieser Fragestellung die folgenden, die juristische Welt erschütternden Worte:

Es spricht auch wenig dafür, daß eine dreigliedrige Ausschußgemeinschaft dann unzulässig werden sollte, wenn ihr zwei Ausschußsitze zufielen.

So einfach kann man es sich machen, wenn man der Verwaltungsgerichtshof ist.

Was klar dagegen spricht, ist die obige Benachteiligung größerer, nicht mehr ausschussgemeinschaftsfähiger Gruppierungen. Beispiel:

In einem Kreistag entfällt rechnerisch ein Ausschusssitz auf sechs Kreistagssitze, z.B. 60 Kreisräte und 10 Ausschusssitze.

Partei A hat 8 Sitze, B, C und D haben jeweils 4 Sitze. Die Ausschusssitze werden nach d’Hondt vergeben.

Damit dürfte nun Partei A einen Sitz erhalten, B, C und D werden leer ausgehen – das genaue Ergebnis hängt freilich von der Größe der anderen Gruppierungen ab.

A hat nun ihren Sitz, kann also keine Ausschussgemeinschaft mehr bilden. Schließen sich B und C zusammen, kommen sie gemeinsam ebenfalls auf acht Sitze und bekommen dann genau wie A einen Sitz. A und B/C sind damit jeweils unterrepräsentiert, da sie mit rechnerisch 1,33 Sitzen nur einen Sitz erhalten.

Die Ausschussgemeinschaft B/C hätte nun aber den Vorteil, dass sie eben nicht gesperrt ist und die D hinzunehmen kann, um dann über zwölf Mandate zu verfügen. Nachdem auf sechs Sitze ein Ausschusssitz entfällt, kann sie so eine genau angemessene Repräsentation mit zwei Ausschusssitzen sicherstellen. Wahrscheinlich würde diese Ausschussgemeinschaft auch mit elf Mandaten noch aufgerundet, wäre dann also leicht überrepräsentiert.

A hat aber keine Möglichkeit, sich einen Partner zu nehmen und müsste ihre schlechtere Repräsentation hinnehmen. Warum acht Kreisräte, die dem gleichen Wahlvorschlag angehören, über geringere Gestaltungsmöglichkeiten verfügen als acht Kreisräte unterschiedlicher Parteien, erschließt sich nicht.

Ob der VGH solche Konstellationen im Blick hatte, erfährt man aus dem Urteil leider nicht.

Wenn diese Situation konkret eintreten würde und sich größere und kleinere Gruppierungen in der Form gegenüber ständen, wäre ich mir nicht unbedingt sicher, dass die Verwaltungsgerichte an ihrer bisherigen, hier nur nebenbei geäußerten Rechtsprechung festhalten würden.

Die Problematik würde sich freilich auflösen, wenn man – entgegen der derzeit ziemlich festgefügten herrschenden Meinung – auch größeren Gruppierungen erlauben würde, ihre Repräsentation durch eine Ausschussgemeinschaft zu verbessern.

Wellenbad-Bürgerbegehren in Penzberg

Auch in Penzberg wird derzeit über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens zum Erhalt eines kommunalen Hallenbads gestritten. Diese Konstellation wurde hier vor Kurzem besprochen: BayGO – Verhinderung von demokratischer Mitsprache durch Kommunalunternehmen?

Bislang gehen die wohl meisten Kommunen davon aus, dass solche Bürgerentscheide unzulässig sind, weil sie Angelegenheiten des Kommunalunternehmens und nicht des Stadtrats selbst betreffen. In der lokalen Presse wurde aber auch meine abweichende Stellungnahme dazu thematisiert: Wellenbad-Bürgerbegehren – Unechter Verwaltungsrat

Während eigentlich erwartet wurde, dass der Gemeinderat in seiner Sitzung am Dienstag das Bürgerbegehren wegen Unzulässigkeit zurückweist, wurde die Entscheidung nun vertagt. Es soll eine einvernehmliche Lösung gefunden werden – das ist ein durchaus überraschender Schritt und zeigt, dass die Sachlage doch nicht so klar ist.

BayGO: Verhinderung von demokratischer Mitsprache durch Kommunalunternehmen?

ballot-box-32384_640Kann eine bayerische Gemeinde wesentliche Entscheidungen dem Gemeinderat entziehen und ein Bürgerbegehren verhindern, indem sie umfangreiche Kommunalunternehmen gründet und die Kompetenzen so wegdelegiert? Diese Vorgehensweise ist sicher nicht im Sinne der Gemeindeordnung. Und bei genauerem Hinsehen ist es wohl auch nicht möglich, obwohl es gern so behauptet wird.

Gemeinden und Landkreise lagern viele Einrichtungen der alltäglichen Versorgung in gesonderte Kommunalunternehmen aus. Diese Unternehmen sind als Anstalten des öffentlichen Rechts (Art. 89 der Gemeindeordnung) im Endeffekt nichts anderes als Abteilungen der Stadtverwaltung, auch wenn sie – im Gegensatz zum Eigenbetrieb – eine gewisse Verselbstständigung der täglichen Organisation erreicht haben. Entscheidungsgremien sind dann aber nicht mehr die Gemeindeorgane, sondern Vorstand (Art. 90 Abs. 1 GO) und Verwaltungsrat (Art. 90 Abs. 2 GO).

Diese Vorgehensweise ist gesetzlich verankert und ihre praktische Umsetzung verursacht prinzipiell keine Probleme. Problematisch wird es jedoch bei der Kollision mit einem anderen Instrument des Kommunalrechts, nämlich den Bürgerentscheiden. BayGO: Verhinderung von demokratischer Mitsprache durch Kommunalunternehmen? weiterlesen

Blick über die Grenze: Wortbeiträge im Mannheimer Amtsblatt

Gemeinden sind verpflichtet, alle Gemeinderäte bei der Vergabe offizieller Darstellungsmöglichkeiten gleich zu behandeln. Eine reine Berücksichtigung von Fraktionen unter Ausschluss von „Einzelkämpfern“ ist unzulässig.

Die Stadt Mannheim erlaubt es ihren Gemeinderäten, im örtlichen Amtsblatt politische Stellungnahmen zu veröffentlichen. Damit dieses nicht zur Werbebroschüre verkommt, sind die Möglichkeiten natürlich begrenzt. So stehen jedem einzelnen Abgeordneten 3750 Zeichen pro Jahr zur Verfügung. (Zum Vergleich: Dieser gesamte Text umfasst knapp 11.000 Zeichen – das ist also wirklich nicht viel für ein ganzes Jahr.)

dollar-1426420_640Hinzu kommen bei Gemeinderatsgruppen noch einmal 7500 Zeichen als Sockelbetrag, bei Fraktionen sind es 14.000. Allein dies ist schon eine Ungleichbehandlung gegenüber den Einzelkämpfern, die einer Begründung bedürfte. Denn schließlich erhält so die kleinste Fraktion, die der Freien Wähler, 32.750 Zeichen, was heruntergerechnet 6550 Zeichen für jeden ihrer Gemeinderäte sind. Nun wäre es möglich, dass es hierfür einen einleuchtenden Grund gibt, weil bspw. die Fraktionen mehr Ausschusssitze und Referentenposten innehaben, sodass sie auch mehr mitzuteilen haben. Warum demgegenüber eine Zwei-Personen-Gruppe aufgrund ihres Sockelbetrag auf einmal viermal so viel schreiben darf wie ein Einzelkämpfer, ist dagegen schwer erklärlich. Unter Umständen müsste man dafür näher in das baden-württembergische Kommunalrecht und in die Mannheimer Gepflogenheiten einsteigen. Die alte Verteilung ist aber auch gar nicht das Problem, sondern die neue.

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Das Bürgerbegehren in Bayern (III) – Materielle Zulässigkeit

Die materiellen Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren ergeben sich vor allem aus Art. 18a Abs. 1 und 3 GO:

Es muss sich um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises handeln.

Im eigenen Wirkungskreis handelt die Gemeinde aus ihrer eigenen Machtvollkommenheit heraus. Art. 83 Abs. 1 der Verfassung legt den eigenen Wirkungsbereich wie folgt fest:
die Verwaltung des Gemeindevermögens und der Gemeindebetriebe; der örtliche Verkehr nebst Straßen- und Wegebau; die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Licht, Gas und elektrischer Kraft; Einrichtungen zur Sicherung der Ernährung; Ortsplanung, Wohnungsbau und Wohnungsaufsicht; örtliche Polizei, Feuerschutz; örtliche Kulturpflege; Volks- und Berufsschulwesen und Erwachsenenbildung; Vormundschaftswesen und Wohlfahrtspflege; örtliches Gesundheitswesen; Ehe- und Mütterberatung sowie Säuglingspflege; Schulhygiene und körperliche Ertüchtigung der Jugend; öffentliche Bäder; Totenbestattung; Erhaltung ortsgeschichtlicher Denkmäler und Bauten. Das Bürgerbegehren in Bayern (III) – Materielle Zulässigkeit weiterlesen

Das Bürgerbegehren in Bayern (II) – Formelle Zulässigkeit

Die formellen Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren ergeben sich aus Art. 18a Abs. 4 bis 6 GO:

Der Antrag muss eine Frage stellen, die sich mit Ja oder Nein beantworten lässt.

Dies limitiert die Möglichkeit der Fragestellung zunächst dahingehend, dass z.B. keine Abstimmung über alternative Vorschläge zulässig ist. Der Inhalt der Frage muss so bestimmt wie möglich sein. Eine Auslegung analog §§ 133, 157 BGB ist zwar vorzunehmen, kann aber durchaus geeignet sein, den Willen der Einreichenden zu verfälschen und das angestrebte Ziel zu verfehlen. Das Bürgerbegehren in Bayern (II) – Formelle Zulässigkeit weiterlesen

Das Bürgerbegehren in Bayern (I) – Ablauf

Bürgerbegehren sind ein Mittel der direkten Demokratie in Bayern. Sie ermöglichen es den Wählern, anstelle des Gemeinderats Entscheidungen selbst zu treffen. Insoweit handelt es sich um den „kleinen Bruder“ des auf Landesebene angesiedelten Volksbegehrens.

Der Charme eines Bürgerbegehrens ist, dass die Hürde nicht ganz so hoch sind wie bei einem Volksbegehren. Darum sind häufig auch Bürgerbegehren, die nicht von Parteien oder einflussreichen Verbänden unterstützt werden, erfolgreich. Freilich drehen sie sich meist um lokal sehr begrenzte und über den Einzelfall hinaus kaum verallgemeinerbare Themen.

Bevor wir die formellen und materiellen Voraussetzungen eines Bürgerbegehrens darstellen, gehen wir zunächst auf den Ablauf dieses Instrumentariums ein. Das Bürgerbegehren in Bayern (I) – Ablauf weiterlesen

Anmerkungen zu BayVGH, 11.11.2013, 4 B 13.1135 (Zulassung zum Augsburger Christkindlesmarkt)

Die abstrakte Konstellation, um die es in diesem Urteil ging, ist eine häufige: Eine Kommune vergibt bestimmte Rechte, die allerdings zwangsläufig kontingentiert sind. Die Vergabe muss also nach bestimmten Kriterien erfolgen. Diese werden häufig durch diejenigen Bewerber, die nicht zum Zug gekommen sind, für rechtswidrig gehalten.

Zu wenig Standplätze für Crepes und Flammkuchen

Konkret ging es um den Augsburger Christkindlesmarkt. Nach der Satzung der Stadt und dem entsprechenden Stadtratsbeschluss sollten für das Jahr 2012 nur zehn Stände für „Crepes, Flammkuchen, Suppen und vergleichbare Gerichte“ zugelassen werden. Allerdings gab es 56 potentielle Standbetreiber, die derartige Speisen auf dem Markt verkaufen wollten. Anmerkungen zu BayVGH, 11.11.2013, 4 B 13.1135 (Zulassung zum Augsburger Christkindlesmarkt) weiterlesen

Herzlich willkommen!

Wir freuen uns über Ihr Interesse am bayerischen Kommunalrecht!