Anmerkungen zu BayVGH, 11.11.2013, 4 B 13.1135 (Zulassung zum Augsburger Christkindlesmarkt)

Die abstrakte Konstellation, um die es in diesem Urteil ging, ist eine häufige: Eine Kommune vergibt bestimmte Rechte, die allerdings zwangsläufig kontingentiert sind. Die Vergabe muss also nach bestimmten Kriterien erfolgen. Diese werden häufig durch diejenigen Bewerber, die nicht zum Zug gekommen sind, für rechtswidrig gehalten.

Zu wenig Standplätze für Crepes und Flammkuchen

Konkret ging es um den Augsburger Christkindlesmarkt. Nach der Satzung der Stadt und dem entsprechenden Stadtratsbeschluss sollten für das Jahr 2012 nur zehn Stände für „Crepes, Flammkuchen, Suppen und vergleichbare Gerichte“ zugelassen werden. Allerdings gab es 56 potentielle Standbetreiber, die derartige Speisen auf dem Markt verkaufen wollten.

Die Auswahl der zum Zug kommenden Bewerber sollte nach objektiven Qualitätskriterien erfolgen, vom Warensortiment über das Engagment für den Markt und die Preisgestaltung bis hin zur Umweltfreundlichkeit.

Einer der 46 nicht berücksichtigten Bewerber klagte hiergegen. Denn es war aus seiner Sicht nicht klar, auf welcher Tatsachengrundlage die Bewertung der Anfragen erfolgte. Die meisten Bewerber hatte nur ein Formblatt ausgefüllt, das zu den meisten entscheidenden Kriterien keinerlei Angaben enthielt. Er selbst wurde in einigen Kategorien, zu denen er als einziger Angaben gemacht hatte, schlechter bewertet als andere.

„Verwaltungswissen“ als Entscheidungsgrundlage

Die beklagte Stadt begründete dies damit, dass sie viele der schon länger am Markt vertretenen Bewerber aus den vergangenen Jahren genau kenne. Die Erfahrungen und Kenntnisse des Marktmeisters sei als „Verwaltungswissen“ heranzuziehen. Sie habe zudem einen Ermessensspielraum bei der Bewertung der Angebote und müssen ihre Tatsachenermittlungen nicht offenlegen, da das Gericht diese ohnehin nicht überprüfen dürfe.

Zudem wurde schon die Zulässigkeit der Klage abgestritten: Da die Verhandlung insoweit erst nach dem Markt 2012 stattfand und sich die Kriterien ab 2013 geändert hätten, sei das Interesse an einer Sachentscheidung entfallen.

Fortsetzungsfeststellungsklage in Berufungsinstanz erfolgreich

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben, nach das Verwaltungsgericht Augsburg sie zunächst abgewiesen hatte. Im Endeffekt wurde also zugunsten des klagenden Standbetreibers entschieden.

Die Klage ist schon deswegen zulässig, weil sich der zugrundeliegende Streit auch nach dem 2012er-Markt nicht erledigt hat. Denn die Kriterien wurden nur teilweise geändert, sodass auch bei den folgenden Märkten eine ähnliche Entscheidung ergehen könnte. Derartige Konstellation kann man mit der sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklage angreifen: Man klagt nicht mehr gegen den ablehnenden Bescheid an sich, denn die Zulassung zu einem schon beendeten Markt kann man natürlich nicht mehr erreichen. Aber man lässt die Rechtswidrigkeit feststellen, damit dieser Fehler zukünftig nicht mehr geschieht. Dafür bedarf es eines besonderen Feststellungsinteresses, das hier durch die Wiederholungsgefahr gegeben ist.

Dokumentationsmangel entscheidend

Die Entscheidung der Stadt war rechtswidrig, weil sie auf einer ungenügenden Tatsachenbasis gefällt worden war. Bemängelt wurde insbesondere, dass das herangezogene Verwaltungswissen, also die Kenntnis über die bisherigen Stände und deren Qualität, nicht in den Akten dokumentiert war. Eine Entscheidung, deren Basis nicht nachvollziehbar ist, ist aber schon wegen Intransparenz rechtswidrig.

Außerdem kann von bisherigen Erfahrungen nicht eins zu eins auf zukünftige Tatsachen geschlossen werden. Beispielsweise könnte sich das Erscheinungsbild eines bisher tadellosen Stands im Folgejahr deutlich verschlechtern. Damit das Verwaltungswissen nicht zur „Verwaltungsspekulation“ wird, müssten „belastbare Zusicherungen“ von den Wiederholungsbewerbern verlangt werden.

Auswahlermessen muss fehlerfrei ausgeübt werden

Jeder Bewerber hat einen einklagbaren Anspruch darauf, dass die Stadt ihr Auswahlermessen fehlerfrei ausübt. Fehler liegen insbesondere dann vor, wenn

  • das Verfahren nicht formal korrekt durchgeführt wurde,
  • die Bewertung nicht nachvollziehbar ist,
  • auf falscher oder unvollständiger Tatsachenbasis entschieden wurde,
  • gegen Denkgesetze verstoßen wurde,
  • sachwidriger Erwägungen angestellt wurden oder
  • der Entscheidungsprozess nicht für Außenstehende transparent und nachvollziehbar ist.

Das bedeutet aber in den seltensten Fällen, dass eine Klage auf Zulassung Erfolg haben wird. Man hat nur einen Anspruch auf eine rechtmäßige Entscheidung innerhalb des gegebenen Ermessensspielraums. Rechtlich festgelegt ist also nur der Weg, auf dem die Gemeinde zu ihrer Entscheidung kommen muss. Wie sie dann entscheidet, welche Kriterien sie wie gewichtet und welchen Bewerber sie jeweils besser oder schlechter einstuft, ist ihr überlassen. Hier wird es viele verschiedene rechtmäßige Ergebnisse geben.

Der Antrag wird dann also dahin gestellt, dass der ablehnende Bescheid aufgehoben wird und die Gemeinde dem Kläger einen neuen Bescheid zusenden muss, der die Rechtsausführungen des Gerichts berücksichtigt; ein konkretes Sachergebnis (Zulassung oder Nichtzulassung) wird aber nicht vorgegeben. Dies bezeichnet man als Bescheidungsurteil.

Resümee

Die Problematik der Zulassung zu einem Markt oder auch zu anderen kommunalen Leistungen ist ein Klassiker des öffentlichen Rechts. Dieses Urteil zeigt einmal mehr, welche Kriterien und welche Formen der Tatsachenermittlung hierfür zulässig sind. Bemerkenswert ist aber die Festschreibung des Transparenzgebots, das verlangt, dass die Verwaltung alle ihre Erkenntnisse aktenkundig machen muss. Dies bestätigt einerseits das Recht der Gemeinden, einen Ermessensspielraum wahrzunehmen.

Zugleich erleichtert es aber Klagen gegen eine Zulassungsversagung, weil die gesamte Tatsachenbasis von vornherein „auf dem Tisch liegen“ muss. Gerade die unbeliebten Bescheidungsurteile, die der Kläger oft als Pyrrhus-Sieg empfindet, weil er sich auch im zweiten Anlauf geringe Chancen ausrechnet, dürften so an Bedeutung gewinnen. Wichtig ist allerdings, dass – in der Regel mit anwaltlicher Hilfe – genau analysiert und dargelegt wird, welche entscheidungserheblichen Fehler geschehen sind.

Nicht völlig klar wird allerdings aus diesem Urteil, ob die aktenmäßige Dokumentation auch der Öffentlichkeit oder zumindest den abgelehnten Bewerbern bekanntgegeben werden muss oder ob es reicht, wenn erst das Gericht Einsicht in die Akten erhält.

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