Gemeinderat

(Letzte Aktualisierung: 20.01.2024)

Der Gemeinderat ist das zentrale Mitbestimmungsorgan einer bayerischen Gemeinde. Er wird von den Bürgern gewählt und besteht aus acht bis achtzig Gemeinderäten sowie dem ersten Bürgermeister/Oberbürgermeister.

Der Gemeinderat trifft alle grundlegenden Entscheidungen der Kommunalpolitik. Als Selbstverwaltungskörperschaft wird er nicht als Parlament begriffen, sondern ist Teil der Exekutive, also der „Gemeinderegierung“.

Inhalt

Allgemeines

Was bedeutet die Bezeichnung des Gemeinderats als „Vertretung der Gemeindebürger“ (Art. 30 Abs. 1 Satz 1 GO)?

Mit „Vertretung“ ist nicht die rechtliche Vertretung nach außen gemeint. Diese obliegt in der Regel dem Bürgermeister.

Diese Vorschrift beschreibt lediglich, dass die Gemeinderatsmitglieder an der Stelle der Bürger handeln. Zudem sind die Gemeinderäte Vertreter aller Bürger, also nicht nur ihrer jeweiligen Wähler oder gar ihrer Parteien.

Rechte der Gemeinderatsmitglieder

Welche Rechte hat ein Gemeinderatsmitglied?

Ein Gemeinderatsmitglied hat folgende organschaftlichen Rechte:

  • Ladung zur Sitzung
  • Teilnahme an der Sitzung
  • kein unbegründeter Ausschluss aus der Sitzung
  • Antragstellung
  • Aufnahme des Antrags auf die Tagesordnung
  • Mitgliedschaft im Ausschuss
Ergeben sich Rechte eines Gemeinderatsmitglieds aus der Bayerischen Verfassung?

Nein, die Bayerische Verfassung behandelt nur die Rechte von Gemeinden als Körperschaft, äußert sich aber nicht zu ihrem inneren Aufbau. Weder der Gemeinderat als Organ noch die einzelnen Gemeinderäte kommen in der Verfassung überhaupt vor.

Hat ein Gemeinderatsmitglied ein Recht auf Einsicht in Akten der Gemeindeverwaltung oder auf Information?

Nein, ein solches Recht lässt sich aus keiner Rechtsnorm herleiten.

Lediglich der Gemeinderat als Kollegialorgan kann (durch Mehrheitsbeschluss) Akten oder Stellungnahmen im Rahmen seines Rechts auf Überwachung der Gemeindeverwaltung (Art. 30 Abs. 3 GO) anfordern.

Gilt dies auch für das Antragsrecht des Gemeinderats?

Ja, der Gemeinderat hat kein Recht, Informationen zu bekommen, um auf diese Weise seine Anträge besser vorbereiten zu können oder Anregungen zu erhalten.

Kann ein Einsichtsrecht in der Geschäftsordnung festgelegt werden?

Es spricht wohl nichts dagegen, wenn der Gemeinderat seinen Mitgliedern ein solches Recht im Vorhinein einräumt. Ob der Gemeinderat die Akten im Einzelfall mit Mehrheit anfordert oder ob er mit Mehrheit beschließt, einzelnen Mitgliedern dieses Recht einzuräumen, dürfte unerheblich sein.

Gibt es ein Recht eines Gemeinderatsmitglieds, Anfragen zu stellen?

Gesetzlich vorgesehen ist ein solches Recht nicht.

Allerdings ist es in Geschäftsordnungen vieler Gemeinderäte geregelt.

§ 68 der Geschäftsordnung des Münchner Stadtrats besagt bspw.:

Jedes ehrenamtliche Stadtratsmitglied hat das Recht, in kommunalen Angelegenheiten Anfragen an den Oberbürgermeister und die berufsmäßigen Stadtratsmitglieder einzureichen, die es schriftlich beantwortet wünscht. (…) Die Anfragen müssen sich auf Tatsachen beschränken und knapp und sachlich gehalten sein. Der Sinn der Anfrage darf – soweit erforderlich – nur in einem kurzen Vorspruch erläutert werden.

Haben die Gemeinderatsmitglieder Anspruch auf Mitteilung möglicher Bedenken zu Tagesordnungspunkten?

Nein, es ist die eigene Pflicht der Gemeinderatsmitglieder, sich ggf. selbst zu informieren und die Rechtslage für sich zu klären.

Wie hoch muss die Entschädigung eines Gemeinderatsmitglieds sein?

Alle ehrenamtlich tätigen Gemeindebürger, also auch die Gemeinderäte, haben ein Recht auf angemessene Entschädigung (Art. 20a Abs. 1 GO). Unangemessen ist diese, wenn sie außer Verhältnis zum mit dem Mandat verbundenen Aufwand steht. Die Gemeinde hat dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum.

Haben die Gemeinderatsmitglieder Anspruch darauf, dass der Gemeinderat nur rechtmäßige Beschlüsse fasst?

Nein, zumindest verletzt ein rechtswidriger Beschluss nicht die subjektiven, organschaftlichen Rechte der befassten Gemeinderatsmitglieder. Vielmehr muss sich der vom Beschluss Betroffene dagegen wehren.

Hat man ein Recht auf Sitzungsgeld für jede einzelne Sitzung?

Alle ehrenamtlich tätigen Gemeindebürger, also auch die Gemeinderäte, haben ein Recht auf angemessene Entschädigung (Art. 20a Abs. 1 GO). Die Gemeinde hat dabei einen gewissen Beurteilungsspielraum, wonach sie die Entschädigung bemisst. Dabei kann grundsätzlich eine Monatspauschale gewährt werden oder eine Entschädigung pro Sitzung. Dabei können auch mehrere Sitzungen an einem Tag durch eine einmalige Zahlung abgegolten werden.

Kann sich ein Gemeinderatsmitglied im Rahmen seiner Tätigkeit auf Grundrechte berufen?

Nein, in der Regel nicht. Grundrechte stehen dem Gemeinderatsmitglied nur als Bürger zu, nicht aber als Kommunalverfassungsorgan. Insoweit kann eine Klagebefugnis nur aus seinen Rechten aus dem Kommunalrecht (GemO, LKrO, BezO) hergeleitet werden.

Gibt es ein Recht auf Freistellung für das Mandat gegenüber dem Arbeitgeber?

Man muss hier unterscheiden:

Bei öffentlichen Arbeitgebern (z.B. Behörden) besteht ein Urlaubsanspruch gemäß Art. 93 Abs. 4 des Bayerischen
Beamtengesetzes i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 der Urlaubsverordnung.

Bei privaten Arbeitgebern gibt es keine entsprechende Rechtsnorm. Auch eine Regelung wie Art. 48 GG gibt es nicht. Dies hat das Innenministerium auf eine Landtagsanfrage auch bestätigt. Deren Kernsatz ist: „Das Staatsministerium des Innern geht davon aus, dass in der Praxis regelmäßig eine zufriedenstellende Einigung zwischen den Beteiligten erzielt werden kann.“

Soweit sich ein privater Arbeitgeber also kategorisch gegen eine Freistellung sperrt, bleibt dem Arbeitnehmer nur die Möglichkeit, für die Sitzungstage bezahlten Urlaub zu nehmen. Dieser muss aber arbeitsrechtlich unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers vereinbart werden, lässt sich also auch nicht unbedingt gezielt und eigenständig so legen, wie es für die Gemeinderatsarbeit sinnvoll ist.

Besitzen Gemeinderäte Immunität?

Nein. Eine Immunität für Gemeinderäte gibt es im Gegensatz zu Landtagsabgeordneten oder Mitgliedern des Bundestags nicht.

Wie weit reicht die Indemnität der Gemeinderäte?

Grundsätzlich nicht allzu weit.

Indemnität bedeutet, dass ein Gemeinderatsmitglied nicht für Abstimmungen im Rahmen seines Amtes belangt werden kann.

Art. 51 Abs. 2 Satz 1 GO besagt:

Kein Mitglied des Gemeinderats darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Gemeinderats zur Verantwortung gezogen werden.

Allerdings gilt dies nach ganz herrschender Meinung nicht für die Verantwortlichkeit nach bundesrechtlichen Vorschriften. Da hierunter auch das Strafgesetzbuch fällt, ist die Reichweite der Indemnität sehr begrenzt.

Welche Geschäfte können einzelnen Gemeinderäten zugewiesen werden?

Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO spricht davon, dass Gemeinderatsmitglieder „die ihnen zugewiesenen Geschäfte“ übernehmen müssen. Dies setzt also voraus, dass es eine Möglichkeit des Gemeinderats gibt, einzelnen Mitgliedern bestimmte Aufgaben zu übertragen.

Dies gilt aber nach ganz herrschender Meinung nur für eigene Aufgaben des Gemeinderats, nicht für solche des ersten Bürgermeisters. Ebenso können keine Entscheidungsbefugnisse übertragen werden, da dies einem Kollegialorgan fremd wäre.

Übrig bleiben also in erster Linie Begutachtungs-, Überwachungs- und Vorbereitungsmaßnahmen. In der Praxis spielt die Übertragung auf einzelne Gemeinderäte (im Gegensatz zur Übertragung auf Ausschüsse) kaum eine Rolle.

Pflichten der Gemeinderatsmitglieder

Welche Pflichten hat ein Gemeinderatsmitglied?

Die wichtigsten Pflichten eines bayerischen Gemeinderatsmitglieds sind:

  • Teilnahme an Sitzungen
  • Abstimmung
  • Verschwiegenheit
  • Erledigung zugewiesener Aufgaben
Wann gilt die Teilnahmepflicht nicht?

Art. 48 Abs. 1 Satz 1 GO sieht grundsätzlich eine unbeschränkte Teilnahmepflicht fest. Aus Abs. 2 wird dann aber klar, dass es eine „genügende Entschuldigung“ die Teilnahmepflicht ausschließt:

(1) Die Gemeinderatsmitglieder sind verpflichtet, an den Sitzungen und Abstimmungen teilzunehmen (…)

(2) Gegen Mitglieder, die sich diesen Verpflichtungen ohne genügende Entschuldigung entziehen, kann der Gemeinderat Ordnungsgeld bis zu zweihundertfünfzig Euro im Einzelfall verhängen.

Typische Entschuldigungsgründe sind Krankheit, Urlaub oder unumgängliche persönliche Verpflichtungen. Eine berufliche Verhinderung ist auch anzuerkennen, allerdings sind von einem Gemeinderatsmitglied wohl zumindest gewisse Anstrengungen zu fordern, um Terminkollisionen zu vermeiden.

Muss die Verhinderung gegenüber dem Gemeinderat begründet werden?

Grundsätzlich nicht.

Wenn jedoch der Gemeinderat davon ausgeht, dass ihm selbst keine Verhinderungsgründe bekannt sind, kann er ein Ordnungsgeld festsetzen. Im Rahmen der Anfechtung wird das Gemeinderatsmitglied dann jedoch gehalten sein, seine Gründe darzulegen.

Muss die Verhinderung gegenüber dem Gemeinderat nachgewiesen werden?

Nein, eine derartige Nachweispflicht besteht nicht. Der Gemeinderat kann also nicht verlangen, dass ein Mitglied bspw. ein Attest vorlegt.

Kann auch die Stimmenthaltung entschuldigt sein?

Das könnte man zunächst meinen, wenn man Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GO anschaut:

(1) (…) Kein Mitglied darf sich der Stimme enthalten.
(2) Gegen Mitglieder, die sich diesen Verpflichtungen ohne genügende Entschuldigung entziehen, kann der Gemeinderat Ordnungsgeld bis zu zweihundertfünfzig Euro im Einzelfall verhängen.

Demnach bezieht sich Abs. 2 auch auf Abs. 1 Satz 2, also auf die Stimmenthaltung.

Die Literatur und ein Teil der (spärlichen) Rechtsprechung geht davon aus, dass eine solche entschuldigte Enthaltung zumindest denkbar ist, aber unter sehr hohen Voraussetzungen steht. In der Regel dürften erhebliche Gewissenskonflikte zu fordern sein, die eine Stimmabgabe nicht zumutbar erscheinen lassen.

Zu beachten ist, dass persönliche Betroffenheit in der Regel zur Befangenheit führt, sodass das Mitglied ohnehin nicht stimmberechtigt ist, sich also die Frage gar nicht stellt. Nur, wenn ein ganz atypischer Fall vorliegt, der durch die Befangenheitsgründe nicht erfasst wird, kann das Problem entstehen.

Auch dürfte es meist zumutbar sein, mit nein zu stimmen. Denn würde der Beschluss abgelehnt, so bliebe insoweit „alles beim Alten“, was normalerweise keinen Konflikt hervorrufen sollte. Schließlich ist auch zu prüfen, ob nicht die Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung ausreicht, um die Beweggründe nach außen zu erläutern.

Eine Enthaltung dürfte daher nur als ultima ratio entschuldigt sein.

Befangenheit

Wann ist ein Gemeinderatsmitglied befangen?

Befangenheit liegt vor, wenn sich ein Gemeinderatsmitglied möglicherweise von privaten Motiven beeinflussen lassen könnte.

Das ist gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 1 GO der Fall,

wenn der Beschluss ihm selbst, einem Angehörigen (Art. 20 Abs. 5 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes) oder einer von ihm vertretenen natürlichen oder juristischen Person oder sonstigen Vereinigung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.

Was ist die Rechtsfolge einer Befangenheit?

Ein befangenes Gemeinderatsmitglied darf sich weder an der Beratung noch an der Abstimmung über das Thema beteiligen.

Ob das befangene Mitglied weiter an der Sitzung teilnehmen darf, ist zumindest strittig. Es ist allerdings üblich, dass befangene Mitglieder den Sitzungssaal verlassen.

Dürfen Anwälte, die mit einem Gemeinderatsmitglied eine Sozietät betreiben, gegen die Gemeinde klagen?

Ja, denn Art. 50 GO ist nur auf den Mandatsträger selbst anwendbar. Nur dieser schuldet der Gemeinde eine besondere Treuepflicht.

Gilt das Vertretungsverbot auch außerhalb des eigenen Wirkungskreises?

Ja, auch im übertragenen Wirkungskreis und in Weisungsangelegenheiten ist die Gemeinde u.U. persönlich betroffen, sodass die gleichen Interessenkonflikte bestehen, Art. 50 GO verhindern will.

Wann liegt ein unmittelbarer Vor- oder Nachteil bei Bauleitplänen vor?

Bei Flächennutzungsplänen ist die persönliche Betroffenheit grundsätzlich zu verneinen, es sei denn, es wird ein besonderer Vorteil geschaffen, z.B. die Aufwertung zu Bauland.

Bei Bebauungsplänen ist die persönliche Betroffenheit dagegen zu bejahen, da der Bebauungsplan zahlreiche Rechte und Verbote vermittelt.

Überwachung der Gemeindeverwaltung

Wie wird die Überwachung der Gemeindeverwaltung vorgenommen?

Art. 30 Abs. 3 GO lautet:

Der Gemeinderat überwacht die gesamte Gemeindeverwaltung, insbesondere auch die Ausführung seiner Beschlüsse.

Während also der Bürgermeister für die Organisation der Gemeindeverwaltung zuständig ist, obliegt die Überwachung dem Gemeinderat. Dies erstreckt sich sowohl auf den eigenen als auch auf den übertragenen Wirkungskreis und auf hoheitliche wie fiskalische Angelegenheiten.

Die Überwachung erfolgt in erster Linie durch Anforderungen von Auskünften und Informationen, es kann aber auch die Einsicht in Akten verlangt werden.

Diese Rechte nimmt aber der Gemeinderat als Kollegialorgan wahr. Einzelne Mitglieder haben – siehe unten – in der Regel keine persönlichen Auskunftsrechte, sondern müssen einen Beschluss des Gemeinderats herbeiführen. Allerdings kann der Gemeinderat Überwachungsaufgaben auf einzelne Mitglieder übertragen.

Wem gegenüber gelten die Überwachungsrechte?

Auskunft kann grundsätzlich von allen gemeindlichen Organen und Behörden verlangt werden. Dies umfasst auch die Eigenbetriebe. Ebenso können bspw. Unterlagen aus einem Verwaltungsverfahren mit Bürgern oder Vertragsverhandlungen der Gemeinde geprüft werden.

Keine Überwachung darf aber gegenüber den Dritten erfolgen, der Gemeinderat kann also bspw. keine Akten von einem Unternehmen verlangen, das mit der Gemeinde in einer Geschäftsbeziehung steht. Dies gilt auch für Beteiligungsgesellschaften der Gemeinde, da diese rechtlich gesehen selbständig sind.

Zu beachten ist aber, dass Adressat des Auskunftsrechts immer der erste Bürgermeister ist. Es ist dann seine Aufgabe, die Informationen bei den zuständigen Stellen einzuholen oder diese dem Gemeinderat Auskunft geben zu lassen. Einen „Durchgriff“ seitens des Gemeinderats auf einzelne Verwaltungsmitarbeiter o.ä. gibt es nicht.

Haben Gemeinderäte ein Recht, an Besprechungen der Verwaltung teilzunehmen?

Nein.

So weit geht das Überwachungsrecht nicht. Der Gemeinderat kann lediglich im Rahmen des oben Gesagten verlangen, dass er über Ergebnisse informiert wird.

Folgt aus dem Überwachungsrecht ein Weisungsrecht?

Nein. Weisungen gegenüber der Gemeindeverwaltung erfolgen durch den ersten Bürgermeister.

Der Gemeinderat kann lediglich Richtlinien gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 GO aufstellen.

Gibt es eine Überwachungspflicht des Gemeinderats?

Dies ist strittig, im Ergebnis aber wohl nicht. Es steht grundsätzlich im Ermessen des Gemeinderats, wie er die Überwachung der Gemeindeverwaltung vornimmt. Bestimmte Pflichten wird man hier nicht annehmen können.